Bei “Noah” von Fitzek handelt es sich um einen spannenden Krimi, der in eine Beschreibung und Kritik der globalen sozioökonomischen Entwicklungen eingebettet ist. Als Teil der Story versucht ein Geheimbund das Wachstum der Weltbevölkerung zu bremsen, da es nicht möglich wäre, eine wachsende Weltbevölkerung bei steigenden Ansprüchen langfristig zu ernähren und somit Hungersnöte heute oder später unausweichlich sind. Und wenn es nicht der Hunger und die fehlenden Nahrungsmittel sind, so werden andere Rohstoffe – wie zum Beispiel Öl – knapp und stürzen die Welt in die Katastrophe. Dieses Schreckensszenrio erscheint unausweichlich, denn wer ernsthaft daran glaubt, dass eine wachsende Welt mit immer knapperen Rohstoffen leben kann, muss entweder verrückt oder Volkswirt sein – so der Roman.
Als Volkswirt, der meint nicht verrückt zu sein und eben an jene Möglichkeit glaubt, möchte ich auf ein paar Fakten hinweisen: Zunächst ist es richtig, dass die Weltbevölkerung wächst und ihre Ansprüche steigen. Gleichzeitig nehmen aber die Armut und der Hunger in der Welt zum Glück ab, auch wenn die Zahl der Armen und Hungernden noch immer zu hoch ist. Außerdem herrschen Hunger und Armut besonders in Regionen mit fehlenden oder sehr schwach entwickelten Institutionen und Strukturen. In diesen Regionen gibt es häufig große potenzielle landwirtschaftliche Flächen, die zu einer Ausweitung der Lebensmittelproduktion genutzt werden könnten und außerdem könnte auch die Produktion auf den bestehenden Flächen über eine Intensivierung des Anbaus erhöht werden. Diese Möglichkeiten zeigen sich auch darin, dass gerade in Regionen mit besonders hoher Bevölkerungsdichte, wie z.B. in Europa oder den USA, die Lebensmittelproduktion über dem eigenen Bedarf, so dass hier exportiert werden kann. Somit ist die Welt nicht zu klein, um die Bevölkerung hinreichend mit Lebensmitteln zu versorgen, vielmehr fehlen Strukturen und Anreize, die bestehenden Möglichkeiten auch zu nutzen.
Andere Rohstoffe, wie Öl, sind endlich – aber sie sind noch sehr reichlich vorhanden und reichen noch lange. Bisher steigt der weltweite Verbrauch jedes Jahr, die Reserven werden aber nicht weniger sondern steigen, weil mit neuen Technologien neue Fördergebiete erschlossen werden können. Dort wo Rohstoffe knapper werden, wird auch die Effizienz der Nutzung gesteigert und es werden Substitute entwickelt. Auch hier sind die Grenzen des Wachstums noch lange nicht erreicht.
Neben der Wachstumskritik enthält “Noah” auch eine allgemein Kapitalismuskritik. Es wird dabei suggeriert, dass die Armut in den Slums der Schwellen- und Entwicklungsländer im Interesse der Industrienationen und des kapitalistischen Systems wäre. In der Tat werden gerade in den Schwellen- und Entwicklungsländern Arbeitskräfte von Unternehmen ausgebeutet, die dazu in der Lage sind, weil sie die einzigen potenziellen Arbeitgeber sind. Diese Unternehmen machen auch erhebliche Gewinne, die aber nicht im Sinne oder im Interesse des Systems als Ganzes oder der Industrienationen sind. Wie stark Länder voneinander profitieren, kann man daran ablesen, in welchem Umfang sie miteinander Handel treiben, da dieser immer nur dann stattfindet wenn beiden profitieren. Industrieländer handeln sehr viel stärker untereinander als mit den Entwicklungsländern. Sofern es in den Entwicklungsländern zu einem Wachstum und Aufholprozess kommt, steigt auch der Handel. Insofern können sich die Industrieländer nichts besseres wünschen als steigende Einkommen und einen Rückgang der Armut.
In der Summe hat Fitzek mit “Noah” zwar einen spannenden Roman geschrieben, in diesem haben aber die ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wenig mit der realen Welt zu tun.