Martin Schulz will die Hartz-IV-“Reformen” reformieren. Insbesondere soll für ältere Arbeitnehmer die maximale Bezugsdauer des ALG I verlängert werden. Dies ist in jeder Beziehung kontraproduktiv.
Martin Schulz, als Kanzlerkandidat der SPD, will die Hartz-IV-“Reformen” reformieren. Insbesondere soll für ältere Arbeitnehmer die maximale Bezugsdauer des ALG I von derzeit 24 Monaten (was bereits 6 Monate länger ist als Arbeitnehmer unter 50 Jahren) weiter verlängert werden. Dies ist in jeder Beziehung kontraproduktiv: Die Arbeitsmarktevaluationen vor den Hartz-Reformen haben gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit für die Wiederaufnahme einer Arbeitstätigkeit von Arbeitslosen kurz vor einer Absenkung des Arbeitslosengelds deutlich ansteigt. Dies ist auch auf ein ökonomisches Kalkül zurückzuführen: Die Suchaktivität und die Bereitschaft, eine Stelle anzunehmen, die nicht den eigenen Wunschvorstellungen entspricht, ist wesentlich davon abhängig wieviel schlechter das Leben als Arbeitsloser ist. Anderseits gilt, dass ein längeres Warten auf die richtige Stelle die Chancen für die Wiedereinstellung vermindert – es wir also immer schwieriger, die richtige Stelle zu finden.
Die Reform der Reform führt auch deshalb in die falsche Richtung, weil im Angesicht des demographischen Wandels eine weitere Zunahme der Erwerbsbeteiligung von Älteren erforderlich ist. In den letzten Jahren hat es hier sehr positive Entwicklungen gegeben. Insofern sendet die Verlängerung der Bezugsdauer des ALG I für Ältere völlig falsche Signale, denn sie suggeriert, Ältere seien ohnehin nicht oder nur schwierig vermittelbar.
Des Weiteren wird ein Gerechtigkeitsargument angeführt, nach dem Ältere ein längeres Bezugsrecht für Arbeitslosengeld haben müssten, da sie auch länger in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt hätten. Allerdings wird bei der Umsetzung wohl nicht geprüft, ob die betroffenen Älteren vorher kontinuierlich eingezahlt haben, also über lange Zeit nicht arbeitslos waren, sondern es werden wohl alle Älteren von der längeren Bezugsdauer profitieren. Es ist auch inhaltlich fragwürdig, warum eine Versicherung ihre Leistung davon abhängig macht, ob vorher schon Leistungen ausgezahlt wurden. Allerdings gibt es im Versicherungsmarkt Schadensfreiheitsrabatte, die man sich auch für ältere Arbeitnehmer vorstellen könnte. In den letzten Arbeitsjahren würden die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgesenkt, was dann nicht nur gerecht wäre, sondern auch die Arbeitsanreize erhöhen würden.
Für alle die noch einmal einen Überblick zu der Hartz-Evaluation lesen möchten, gibt es hier einen gemeinsam mit Jochen Michaelis und Madlen Sode verfassten Artikel „10 Jahre Hartz Reformen“ aus dem Jahr 2013. Zur Beschäftigungssituation von Älteren findet sich einiges in dem Diskussionspapier „Chancen für alle.“